
Die sieben Wege zu gelassener Elternschaft
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Elternsein ist oft alles auf einmal: wunderschön, überfordernd, voll Liebe – und voll To-do-Listen. Am Ende eines langen Tages fragst du dich vielleicht: War ich überhaupt präsent? War ich fair? Habe ich mein Kind gesehen?
Was wäre, wenn es ein paar Prinzipien gäbe, die dir helfen, gelassener zu sein – und deinem Kind genau das zu geben, was es am meisten braucht: Verbindung?
Inspiriert von Stephen R. Coveys Klassiker „Die 7 Wege zur Effektivität: Prinzipien für persönlichen und beruflichen Erfolg“ und Philippa Perrys „Das Buch, von dem du dir wünschst, deine Eltern hätten es gelesen“, habe ich sieben Gewohnheiten für den Familienalltag herausgefiltert. Keine Erziehungstricks, sondern Haltungsanker. Für dich – und für dein Kind.
1. Sei proaktiv – du sitzt am Steuer
Covey beschreibt: Es gibt reaktive Menschen – und es gibt proaktive Menschen. Reaktive Menschen lassen sich von ihrer Umwelt steuern. Ihre Stimmung schwankt mit dem Wetter, dem Verhalten anderer oder dem eigenen Stresspegel. Proaktive Menschen hingegen handeln auf Basis ihrer eigenen Werte – egal, was außen passiert.
Und jetzt stell dir vor: Dein Kind schreit dich auf dem Spielplatz an, weil du den Schatten auf der Schaukel nicht „wegmachen“ kannst. Eine völlig irrationale Situation – zumindest für Erwachsene.
Ein reaktiver Elternteil wird vielleicht selbst wütend, gereizt oder genervt reagieren.
Ein proaktiver Elternteil bleibt ruhig, benennt die Gefühle des Kindes, nimmt es ernst – ohne sich davon mitreißen zu lassen.
Der Unterschied? Proaktive Eltern handeln unabhängig von der Tagesform ihres Kindes.
Sie sind nicht nur gut drauf, wenn das Kind gut drauf ist – sie sind konstant.
Mini-Impuls: Sag dir in herausfordernden Momenten: „Ich begleite jetzt – nicht ich kämpfe.“ Das allein verändert deine Haltung.
2. Habe das Ziel im Blick – was zählt wirklich?
Was wollen wir eigentlich für unsere Kinder? Glück? Selbstvertrauen? Resilienz?
Der Mensch ist ein Beziehungstier. Studien zeigen: Erfüllte Beziehungen machen uns dauerhaft glücklicher als jedes Gehalt. Und die erste Beziehung eines Menschen? Die zu seinen Eltern.
Kinder lernen nicht durch das, was wir sagen – sondern durch das, was wir leben. Sie beobachten, wie wir mit ihnen und anderen Menschen umgehen. Wie wir streiten, wie wir uns entschuldigen, wie wir zuhören.
Ein kleiner Selbsttest aus Philippa Perrys Buch:
Warst du mal überrascht von deiner heftigen Reaktion auf das Verhalten deines Kindes – zum Beispiel Wut oder tiefe Traurigkeit?
Hast du dich gefragt, warum dich das so triggert – während deine Partnerin vielleicht ganz ruhig blieb?
Überleg mal, wie deine eigenen Eltern in ähnlichen Momenten mit dir umgegangen sind. Oft wiederholen wir Muster, die Jahrzehnte zurückliegen – ohne es zu merken.
Mini-Impuls: Frag dich im Alltag: „Zahle ich gerade auf das Beziehungskonto meines Kindes ein – oder hebe ich ab?“
3. Das Wichtigste zuerst – dein Fokus zählt
Wenn dir dein Kind wichtig ist – behandelst du es auch so?
Oder sitzt du beim gemeinsamen Spielen mit einem Auge im Handy? Checkst schnell die Mails, planst innerlich das Abendessen oder scannst Social Media, während dein Kind mit dir redet?
Stell dir dieselbe Szene in einem Business-Meeting vor: Du sitzt mit der Geschäftsführung zusammen und scrollst währenddessen auf deinem Handy. Würdest du machen? Wahrscheinlich nicht. Aus Respekt – und weil du nichts Wichtiges verpassen willst.
Warum also behandeln wir unsere Kinder manchmal mit weniger Aufmerksamkeit?
Ein kleines Experiment:
Buchstabiere den Satz:
„Ich bin produktiver, wenn ich fokussiert bin.“
Dann:
„Die Zeit mit meinem Kind ist mein Fokus.“
Beides dauert etwa 15–20 Sekunden.
Jetzt versuch’s im Wechsel: erster Buchstabe vom ersten Satz, dann vom zweiten, wieder vom ersten usw.
Ich hab nach 60 Sekunden abgebrochen.
Genauso läuft Multitasking im Alltag. Du brauchst länger – und das Ergebnis wird schlechter. Das gilt für Arbeit genauso wie für Beziehung.
Mini-Impuls: Wenn du mit deinem Kind bist, sei wirklich da. Leg das Handy weg. Nicht für dein Kind – sondern für euch beide.
4. Win-Win denken – ihr seid ein Team
Als ich neben meinem Job promovierte, wünschte ich mir oft den „Raum der Zeit“ aus Dragonball – ein Ort, in dem man ein ganzes Jahr trainieren kann, während draußen nur ein Tag vergeht. Mein Gedanke: Mit mehr Zeit würde ich wahnsinnig viel schaffen.
Als meine Tochter geboren wurde, hatte ich diesen Wunsch plötzlich wieder. Ich wollte für sie da sein, aber gleichzeitig beruflich etwas erreichen. Wenn ich früher aus dem Büro ging, fühlte ich mich, als würde ich andere enttäuschen.
Aber dann passierte etwas Unerwartetes:
Ich wurde effizienter. Ich arbeitete fokussierter – und hatte sogar mehr Freude an meinen Aufgaben.
Denn ich wusste: Meine Zeit ist begrenzt. Also fragte ich mich nicht mehr: „Wie bekomme ich mehr Zeit?“ – sondern: „Wie nutze ich meine Zeit sinnvoll?“
Diese Denkweise ist auch für die Elternschaft zentral.
Denn dein Kind braucht dich. Gerade in jungen Jahren. Und zwar nicht als Projektleiter, sondern als Teammitglied.
Wutanfälle, Tränen, durchwachte Nächte – all das sind Entwicklungsschritte. Deine Aufgabe ist es, dein Kind dabei zu begleiten – nicht es zu „optimieren“.
Und wenn du das mit echter Aufmerksamkeit machst, passiert etwas Erstaunliches:
Du wächst mit. Du lernst. Über dich. Über Beziehungen. Über Geduld.
Mini-Impuls: Überlege heute: In welcher Alltagssituation könnt ihr als Team auftreten – statt gegeneinander zu arbeiten?
5. Erst verstehen – dann verstanden werden
Ich dachte früher, ich wäre ein guter Zuhörer.
Ich hörte zu – zumindest glaubte ich das. Aber eigentlich wartete ich nur darauf, meinen Ratschlag loszuwerden. In meinem Kopf bastelte ich schon während des Gesprächs an der perfekten Antwort.
Bis ich selbst mal in einer Situation war, in der ich nur reden wollte – und mein Gegenüber mir sofort eine Lösung präsentierte. Ich fühlte mich nicht gehört. Nicht ernst genommen.
Und dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen:
Genau das hatte ich auch oft gemacht – bei Kolleg*innen, bei meiner Frau, bei meiner Tochter.
Kinder brauchen keine schnellen Lösungen. Sie brauchen Verständnis.
Sie wollen wissen: „Verstehst du, was ich fühle?“
Nicht: „Wirst du es wegmachen?“
Wenn du einem Kind sagst: „Ist doch nicht schlimm“, dann kann es sein, dass es sich abgelehnt fühlt – oder sogar lernt, seinen eigenen Gefühlen nicht mehr zu trauen.
Dann wird es lauter – oder zieht sich zurück.
Deshalb: Hör wirklich zu. Beschreibe, was du siehst. Ohne Wertung. Ohne Ablenkung.
Wenn dein Kind wütend ist, sag nicht: „Beruhig dich.“
Sag: „Du bist richtig sauer, weil der Schatten nicht weggeht. Das versteh ich.“
Verbindung entsteht nicht durch Lösungen. Sondern durch echtes Zuhören.
Mini-Impuls: Hör zu, ohne zu korrigieren. Benenne die Gefühle, auch wenn du sie nicht verstehst.
6. Synergien schaffen – Gemeinsam besser wachsen
In einem funktionierenden Team ist 1 + 1 mehr als 2. Das gilt auch in Familien.
Du musst nicht alles allein wissen. Kinder profitieren enorm, wenn sie mehrere Bezugspersonen haben, die sich ergänzen. Der eine ist geduldig, die andere kreativ. Einer tobt gern, die andere kuschelt lieber.
Auch mit deinem Kind selbst kannst du in echten Austausch gehen. Frag dein Kind mal:
„Wie würdest du das lösen?“
„Was brauchst du gerade?“
„Was würdest du anders machen?“
Du wirst überrascht sein, wie viel Weisheit in kleinen Menschen steckt – wenn du sie wirklich fragst und ernst nimmst.
Mini-Impuls: Trau dich, dein Kind als Gesprächspartner auf Augenhöhe zu sehen – auch wenn es noch klein ist.
7. Die eigene Mitte pflegen – bleib bei dir
Diese letzte Gewohnheit ist vielleicht die wichtigste. Du kannst nur geben, wenn du selbst etwas hast. Du kannst nur begleiten, wenn du nicht selbst innerlich am Limit bist.
„Sharpen the saw“, sagt Covey. Die Säge schärfen. Nicht durchhauen, wenn sie stumpf ist – sondern innehalten, pflegen, auftanken.
Was tut dir gut?
Was gibt dir Energie?
Was brauchst du, um präsent und liebevoll zu sein – nicht perfekt, aber echt?
Es geht nicht um Selfcare als Konsum – sondern um echte Selbstfürsorge: Schlaf. Bewegung. Zeit zum Nachdenken. Gespräche mit Menschen, die dich verstehen.
Mini-Impuls: Frag dich jeden Tag: Was brauche ich heute, um eine gute Mutter, ein guter Vater zu sein – für mein Kind und für mich?
Fazit
Du musst nicht perfekt sein. Aber du kannst bewusst handeln.
Dein Kind braucht keine makellosen Eltern. Es braucht dich – präsent, offen, lernend.
Diese sieben Gewohnheiten sind kein Rezept, sondern ein Kompass.
Du wächst jeden Tag – genau wie dein Kind.
Perfektion ist kein Ziel. Aber ein liebevoller Blick zurück auf gemeinsame Wege – das ist Gold wert.
Mit unseren Fotobüchern machst du nicht nur Erinnerungen sichtbar,
sondern auch deinen Weg als Elternteil.
Für dich. Für dein Kind. Für später.